Interview mit Marianne Gallen (Netzwerk Spirituelle Krisen)

aus 2016/2017

 

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Marianne Gallen

Erfahrungsbericht einer Spirituellen Krise – Interview mit Jürgen Dunker (Pseudonym)

 

MG: Ich begrüße den Jürgen Dunker, der letztes Jahr durch eine massive spirituelle Krise gegangen ist, wie er selbst das nennt …

JD: … und wie es auch von meinem Psychiater und homöopathischem Hausarzt beschrieben worden ist: Schwere Spirituelle Krise.

MG: Er hat sich bereit erklärt, uns etwas darüber zu erzählen, wie er das in dieser Zeit erlebt hat und wie er das im Nachhinein verarbeitet und deutet.

Als erstes möchte ich Dich fragen, wie Du den Begriff „Spirituelle Krise“ verstehst, was für Dich das Merkmal war, dass Du es eine „Spirituelle Krise“ nennst.   

JD: Ich muss da zunächst Bezug nehmen, auf den ersten Kontakt mit diesem Begriff, das war ungefähr 1994, 7 Jahre nach meiner ersten Spirituellen Krise, wo der Begriff für mich etwas sehr Entlastendes hatte. . Ich sah einen Bericht in der Fernsehsendung „Kontraste“.  Die „Spirituelle Krise“ beschreibt für mich eine Krise, die sehr bedrohlich ist, für die Existenz, in der ich mich gerade befinde: Einerseits bricht Altes weg und Neues bricht in mein Leben ein. Dieses Neue hat faszinierenden und sehr bereichernden Charakter. „Spirituell“ meint für mich die Verbindung mit Göttlichem aber auch mit einer Transzendenzerfahrung, die mich eingebunden sieht in größere Schicksalskräfte, aber auch göttliche Kräfte. Eine Antwort auf meine Krise 1987/88 gab mir auch ein ZEN-Priester, den ich damals auf meiner Suche nach Erklärung traf, er sagte mir einfach: „So ist das, wenn man Gott begegnet.“

MG: Du erwähnst jetzt, dass es schon früher auch einmal so eine Erfahrung gegeben hat, 1987/88 …

JD: … und das hat mich natürlich sehr geprägt in meiner Krise 2015 …

MG: … weil die Erfahrung von damals schon da war.

JD: Die Erfahrung war da, die Deutung dessen, was ich erlebte, war da und mir war klar, da bricht etwas auf, verbunden mit einer hohen sensitiven Öffnung: Ich habe viel gefühlt und wahrgenommen, es kam viel herein an Wahrnehmung, Empfindungen, auch Ideen, mein Denken veränderte sich … aber ich war auch gegenüber feindlichen Ideen sehr leicht kränkbar, war verletzlich. Ich war sehr gestresst und es kam eine Anspannung ins Spiel. Das war ein höchst krisenhafter Zustand, wo vieles herein brach und später habe ich gesagt: Es brach auch vieles aus mir heraus … aus meinem Inneren kamen einfach Energien, die wie ein Vulkan waren – so beschrieb es meine Frau, die mich schwer ausgehalten hat – so kam ich auf den Begriff „Vulkanausbruch der Seele“. Aber es war für mich erstmal eine Krise, die zu bewältigen ist, wo Neues heraus brach und sich Bedrückendes, Altes, Krankes löste und sich verabschiedete.

MG: Was Du jetzt schon angedeutet hast: Zunächst hat Dich das in zwischenmenschliche Schwierigkeiten gebracht.

JD: Ja, es gab einfach Konflikte, weil ich sehr anstrengend war. Der Prozess war für mich anstrengend, das auszuhalten und ich war anstrengend für Menschen um mich herum, vor allem meine Frau. Das war wiederum sehr schmerzhaft für mich, zu erleben, dass ich nun nicht nur mich selbst auszuhalten hatte, sondern auch wie meine Frau auf mich reagierte.

MG: Hast Du irgendein Bild, was die „ideale Behandlung“ im privaten Umfeld für Dich in diesem Zustand gewesen wäre? Was hätte der Prozess im Idealfall gebraucht?

JD: Ein Idealfall wäre gewesen, dass Menschen, die mit mir zu tun haben, erstmal mich fragen – wenn sie helfen wollen : Kann ich etwas für Dich tun?

MG: Du hast hingegen die Erfahrung gemacht, dass sehr schnell geurteilt wurde …

JD: … dass Menschen in meinem Umfeld eine Deutung hatten „mir geht es nicht gut“ – das stimmte – ja, es ging mir nicht gut, ich war gestresst … Aber ich hatte sowohl einen Eustress als auch einen Distress: Es war ja auch ein positiver Stress, weil ich viele Antworten bekam, es fügte sich vieles, Puzzlesteine meines Lebens. Ich habe Empfindungen gehabt, die fantastisch waren, es passierten Synchronizitäten, etwas Entscheidendes für eine „Spirituelle Krise“. Ich habe ein Zitat gefunden: „Wenn Synchronizitäten geschehen, dann erkennst Du, dass Du auf dem richtigen Weg bist“ – eine Schamanen-Weisheit. Das zeigte mir, es war eben nicht nur einfach ein krankes, verrücktes Geschehen, sondern es war ein produktives Krisengeschehen, was natürlich Gefahren mit sich brachte und für andere nicht verständlich war.

MG: Und diese Deutung war für Dich so eindeutig, dass andere Reaktionen aus der Umwelt dann als nahezu bedrohlich – du hast es vorhin als „feindlich“ bezeichnet – gewirkt haben.

JD: Diese Krise war mir „heilig“ – das Wort „heilig“ passt in diesem Zusammenhang. Und ich fühlte mich wirklich von göttlichen Kräften begleitet, so wie mich ein Buch „Die Wolke des Nichtwissens“, was ich wenige Monate zuvor gerade entdeckt hatte, begleitet hat. Auch – wie ich mit dem, was dort passierte, umging. Das war wie eine Handlungsanweisung für die Steuerung und Bewältigung der Gefühle, die ich hatte.

MG: Welche Anweisung hast Du aus diesem Buch heraus gelesen?

JD: Die wichtigste Einsicht war für mich: Wir sprechen oft in der spirituellen Praxis vom „barmherzigen Tun“, der Diakonie, das Helfen, das Gute tun für andere und Gott zu dienen als eine Praxis und die Kontemplation, das Gebet auf der anderen Seite. In dem Buch „Die Wolke des Nichtwissens“ wird als Königsweg der Weg der „affektiven Lebensbewältigung“ genannt. Das war so ein „Aha-Erlebnis“.

MG: Was meint das genau?

JD: „Affektive Lebensbewältigung“ meint, dass wir in einem Gewahrsein mit unseren Affekten sind, dass wir fühlen und mit den Gefühlen gehen und uns davon leiten lassen, dass wir durch das Mitgehen mit den Gefühlen einen Erkenntnisprozess haben, der der schnellste und direkte Weg zu Gott ist. Wir tauchen mit unseren Gefühlen in eine Wolke des Nichtwissens ein, die uns trennt von Gott. Gott ist nicht zu verstehen. Aber wir können ihm uns nähern, indem wir uns in die Wolke des Nichtwissens mit einem Gefühl hinein begeben und uns leiten lassen mit den Emotionen. Und das ist etwas, was ich auch in der Psychotherapie seit 28 Jahren erfahren habe, was Merkmal der humanistischen Psychologie ist …

MG: … da müssen wir ergänzen, dass Du als Suchttherapeut  arbeitest …

JD: …Ja, ich bin als Suchttherapeut im klinischen Bereich seit vielen Jahren tätig, geprägt durch Bonding-Therapie, Körper-Psychotherapie. In den letzten Jahren habe ich mich traumatherapeutisch weiter gebildet, etwas erfahren über „Somatic experience“, ein sehr wirksamer traumatherapeutischer Ansatz, wo es wirklich darum geht, an den Gefühlen entlang unsere Konflikte zu bewältigen. Hier gibt es einerseits um die Beruhigung und Stabilisierung von Gefühlen, die gerade im traumatherapeutischen Bereich wichtig ist und das andere ist die Erlebnisaktivierung und Bewältigung von Gefühlen. Es geht ja gerade auch beim Trauma darum, dass wir das Gefühlsgeschehen, das da ist, bewältigen können und nicht nur vermeiden. Wir sind mit den Gefühlen immer konfrontiert. Da sind wir beim Gewinn.

Mein Hintergrund: Ich komme aus einem traumatisch sehr belasteten Familiensystem, bin selbst traumatisiert mit frühesten Störungen. Dennoch ist da auch der Gewinn der Traumatisierung: Die Verletzung, die durch Traumatisierung geschieht, öffnet - im initiatischen Sinne. Ich habe einen initiatischen Prozess durchlaufen, die Heldenreise: Der Einstieg ist die Konfrontation mit der Wunde. Das Spüren der Wunde, der Verletzlichkeit ermöglicht uns Mitgefühl und es öffnet uns für einen Erfahrungsraum. Und das ist in der „Wolke des Nichtwissens“ im Mittelalter schon beschrieben worden.

MG: Ich würde gerne noch einmal darauf zurück kommen, wie Du in einer Situation, wo starke eigene Deutung, eine Bedeutungsgebung für Dich Sinn machten, welche Erfahrungen Du damit gemacht hast, wenn von außen völlig unpassende Deutungen oder auch Pathologisierungen auf Dich zu gekommen sind.

JD: Es kam einfach ein Druck von außen.

Es begann Mitte Mai mit meiner Krise mit der – für mich sehr erleichternden und auch sensationellen – Offenbarung schicksalhafter familiärer Zusammenhänge. Ich habe eine Antwort bekommen auf eine Schwere im Leben,  ich habe Informationen über meine jüdischen Wurzeln bekommen: Ich war identifiziert mit einem Onkel, der von den Nazis nach Auschwitz deportiert worden ist, ich habe ein Foto meines Großvaters bekommen, alles Informationen, mit denen ich und auch meine jüdischen Verwandten in Amerika, mit denen ich erstmal Kontakt bekommen habe in diesen Tagen …

MG:  … wo viele Gefühle, die Du schon kanntest, zum ersten Mal einen Sinn gemacht haben …

JD: Es war eine Offenbarung!  In der Folge meiner Krise 1989 begleitete mich ein Jesaia-Wort: „Mache dich auf, werde licht, denn dein Licht kommt und die Herrlichkeit des Herrn leuchtet auf über dir.“ Dieses Zitat hat mich sehr begleitet, weil ich für Heilung über all die Jahre das licht-Werden, das durchlässig-Werden als Weg für mich gesehen habe. Und 2015 war dann die Offenbarung, das was ich bisher nicht wusste, dass es eben einen Onkel gab, welches Schicksal er hatte, dass er drei Kinder hatte, welche im Holocaust ermordet worden sind. Das offenbarte sich, binnen weniger Tage.

MG: Plötzlich kamen also die Informationen auf Dich zu, nach denen Du schon immer suchtest …

JD: Ich hatte eine Schwere gehabt… Frühere Familienaufstellungen waren jetzt erklärbar durch die Informationen von 2015 …

MG: So wie wenn sich ein Puzzle plötzlich zusammen fügt, wo man schon lange einzelne Teile gefunden hatte …

JD: Ja, ich hatte 2009 und 2010 nochmal zwei Aufstellungen gemacht, wo zum ersten Mal meine jüdischen Wurzeln ein Rolle gespielt haben. Einmal mit Auschwitzopfern, die aufgestellt worden sind und einmal mit Repräsentanten meiner jüdischen Verwandten – dem bekannten jüdischen Großvater und seiner Frau. Das waren die Informationen, die ich damals hatte, mehr nicht.

MG: Und plötzlich war das Bild ganz.

JD: Ja, plötzlich war es ganz.

MG: Magst Du mal schildern, was das mit Dir gemacht hat, in welchen Zustand Dich das gebracht hat.

JD: Es war eine Freude und etwas, was ich in der Freude und Euphorie unterschätzt habe. Es kam auch eine Trauer hoch – eine Welle von Trauer. Ich merke jetzt, wie meine Augen feucht werden, wenn ich daran denke … eine tiefe Trauer, die in mir saß, die ich in ihrer destruktiven Wirkung unterschätzt hatte. Ich bin in eine agitierte Depression gekommen, die ich auch so erkannt habe. Angesichts der Trauer konnte ich doch nicht in die Lähmung gehen, angesichts der Schrecken, die da aufgedeckt wurden. Das konnte doch nicht die Lösung sein. Sondern wir müssen uns doch verpflichtet fühlen, etwas zu tun. 

MG: Die Lähmung war ja auch der Tatsache geschuldet, dass es so lange nicht aufgedeckt worden ist.

JD: Es war eine Schwere, mit der ich gelebt habe. Du glaubst nicht, wie oft die Leute zu mir gesagt haben: „Jürgen, sei doch nicht so schwer, so ernst, sei doch mal locker …“ Ich habe mich, seit ich 14 war, immer kirchlich, sozial, politisch, kulturell engagiert – immer habe ich mich mehr eingesetzt, als man normalerweise tut, ein Leben lang. Und ich habe auch immer etwas bewegt. Die Worte der Leute, die das kommentierten, habe ich als Kritik erlebt und 2015 ist mir der Satz gekommen: Wenn man Auschwitz im Nacken hat, dann kann man nicht einfach so leben, das geht nicht!

MG: Die Erfahrung, plötzlich zu wissen, was Dir da immer im Nacken gesessen ist, war dann das Ausschlag gebende.

JD: Es war eine Wucht. Ich hatte das Bild, das war wie ein Vulkanausbruch, wie wenn ein Dominostein den anderen weg kippt … Eins triggert das andere an. Alles an Traumatisierung, an Kränkung in meinem Leben, meine Wut auf das schulmedizinische System, auf die Psychiatrie, das kam alles hoch … Es ist alles erklärbar.

Und ich sitze heute hier und stehe dafür, dass Heilung möglich ist. Meine Geschichte ist eben so, dass offensichtlich wurde, wie die herkömmlichen Diagnose- und Deutungssysteme versagen und die Menschen kränker machen als sie sind. Und dass sie Heilungspotenzial brach liegen lassen – das macht mich wütend!

MG: Du hast mir im Vorgespräch schon gesagt, dass Dir sehr wichtig ist, dass Du die Deutungshoheit für alles, was Du erlebt hast, selbst behalten konntest.

JD: Ich habe Jahre gebraucht, um meine erste Krise zu verstehen und dann noch mehr Jahre, um so weit durchzuheilen, wie ich heute geheilt bin. Letztes Jahr habe ich nochmal eine Psychotherapie gemacht, wo der Therapeut sagte, er hätte kaum jemanden erlebt, der seine Geschichte so durchgearbeitet hätte, wie ich das getan habe. Ich bin wirklich Fachmann über mein Schicksal. Und ohne mich zu fragen, mit meiner Erfahrung, sowohl als Patient als auch als langjährig tätiger Therapeut, meinen Zustand zu deuten und Behandlungsempfehlungen abzugeben, ist eine Respektlosigkeit!

Noch zur Deutungshoheit: Am 8. Mai kam etwas durch einen Vortrag in mir in Bewegung und ich fing an zu suchen, am 11.Mai erhielt  ich die ersten Informationen, am 13. Mai hatte ich sie alle beisammen, am 16. Mai hatte ich dann einen handtellergroßen Abszess im Rücken gehabt. Vier Jahre zuvor hatte ich schon mal einen Abszess, der wurde rausoperiert mit der Folge, dass ich in den Monaten danach drei schwere Fahrradunfälle hatte – einer schwerer als der andere … Und jetzt habe ich das homöopathisch ausgeheilt, mit der Medizin meiner Wahl. Das ist auch Deutungshoheit, dass ich über die Interventionen und Hilfen entscheide. Und ich vertraue meinem homöopathischen Arzt …

MG: … und auch Deinem Gefühl. Das finde ich wichtig, dass Du Dich von Deiner eigenen Wahrnehmung leiten lassen kannst, was für Dich gut ist und was nicht.

Das höre ich ja auch oft von meinen Ratsuchenden in Spirituellen Krisen, dass ihnen alles Mögliche erzählt wird, ohne ihnen zuzuhören und die anderen Menschen alle möglichen Ratschläge parat haben und wenig Vertrauen, dass dieser Prozess ja auch von innen geführt wird.

JD: Ich war meiner Frau dankbar für das Bild des Vulkans, das hat schon gepasst, ich war wie ein Vulkan. Aber ein Vulkan muss auch erstmal zu Ende spucken … und dann zur Ruhe kommen.

MG: Magst Du uns auch noch ein wenig aus der Perspektive von heute, nach über einem Jahr berichten, wie es jetzt ist. Fühlst Du Dich stabilisiert und in ruhigere Fahrwasser gekommen?

JD: Deutlich ruhigere Fahrwasser. Auf jeden Fall. Ich bin sogar arbeitsfähig – seit zwei Monaten arbeite ich wieder. Ich bin noch nicht wieder über die Trauer hinweg – ich habe durch die Krise sehr viel verloren. Ich bin mit einer Trauer konfrontiert, die kam mit einer Wucht, wie ich sie vorhin schon beschrieben habe und hat natürlich auch im Außen etwas bewirkt. Es wurden nochmal alle wesentlichen unbearbeiteten Themen meines Lebens rausgespült – kriegten eine Spiegelung in aktuellen Konflikten und ich bekam neue Deutungen, Erklärungen. Ich habe gelernt, meinen Vater nochmal ganz neu zu würdigen. Ich hab Mitgefühl für meine Großmutter entwickelt, für deren Schicksal. Und ich habe nochmal eine neue Klarheit, zur Gewichtung dessen. Es war eine schicksalhafte Krise. Die Deutung der anderen „das darf doch nicht sein!“ war absolut unangemessen, weil wenn ein Vulkan ausbricht, dann bricht er aus. Das sind Gefahren und es sind auch Chancen. Und ich kann nur in einer radikalen Akzeptanz den Prozess begleiten und dann schließlich auch bewältigen.

MG: Was ist Bewältigung für Dich?

JD: Erstmal, dass ich die Wucht an Gefühlen aushalte. Dass ich sie nicht so bewältige, dass ich sie wegschießen muss – mit Psychopharmaka zum Beispiel. Ich habe durchaus ein paar Monate Antidepressiva genommen, war da nicht dagegen, das hat schon einen Platz. Bewältigen heißt dann auch, Räume zu finden, wo ich mit den Gefühlen sein kann und dann Räume des Verstehens und Integrierens. Das eine ist ein Verarbeiten und Verdauen, ob‘s nun Spaziergänge sind oder Gespräche oder auch Ideen von Menschen, die mir respektvoll zuhören.

MG: Was passiert in dem Prozess mit den transzendenten Erfahrungen, den spirituellen Einsichten?

JD: Erstens machen sie mich glücklich.

MG: Sie sind auch immer da …

JD: Ja! Und das ist heilig. Ob es die Sonnenuntergänge waren. Ich habe die Sonne als „Auge Gottes“ wahrgenommen.

MG: Es spiegelt sich dann auch in der Wahrnehmung der Welt …

JD: Ja. Und die Fügungen, die passierten. Ich habe vorhin von den Synchronizitäten gesprochen. Da gab’s ja Ereignisse, da dachte ich: „Das gibt’s doch nicht!“.  Wenn ich in akuten Notständen war, dann öffneten sich Türen. Ich brauchte zum Beispiel dringend einen Termin bei meinem homöopathischen Hausarzt, habe da am Mittwoch angerufen und gefragt: „Kann ich morgen kommen?“ Da war zufällig ein Termin frei geworden, weil jemand anders abgesagt hatte, gerade bevor ich angerufen habe… Das nenne ich nicht Zufall, das ist eine Fügung.

MG: Die notwendigen Hilfen sind einfach aufgetaucht … Das ist das Transzendente konkret  erlebbar.

JD: Ja, die kamen! Ich fühlte mich begleitet. In der höchsten Not war Hilfe und Fügung zur Stelle. Die Stellen, die ich in dem Buch „Die Wolke des Nichtwissens“ gelesen habe, Antworten, die ich in dem Buch „die Kunst des klugen Handelns“ gefunden habe. Da stieß ich auf das Bild des „schwarzen Schwans“, das mir auch sehr behilflich war. Es ist ein schönes Bild für ein schicksalhaftes Ereignis und meine Krise war ein „schwarzer Schwan“.

MG: Hat die Krise Dich reicher gemacht?

JD: Finanziell nicht! (lacht) Mir behagt das Wort nicht.

Es war die Erfüllung all meiner Fragen all meines Lebens. Ich habe als Jugendlicher gebetet und an Gott geglaubt, habe immer gezweifelt und gekämpft mit Gott. Dann habe ich mich politisch engagiert und ich habe immer Fragen gehabt, habe den Sinn des Lebens gesucht. Dann habe ich in der ersten Krise 87/88 Werkzeuge der Heilung kennen gelernt. Heilung und Befreiung, von dem, was mich einengt wurde möglich. Und dann bin ich viele Jahre diesen Weg der Heilung gegangen, des Suchens und Findens und Fragens. 2015 kamen dann die Antworten. Und das Bild wurde rund, auch mein Weltbild, mein spirituelles. Ich habe mich mit dem Bösen auseinandergesetzt.  Ein Thema war: Satan als Engel des Bösen, der auch eine Funktion hat im Himmel Gottes. In Israel, habe ich gelesen, war Satan einfach der Ankläger, der uns prüft.

Und so hat diese Krise sicher dazu geführt, dass ich in meinen narzisstischen Anteilen nochmal ordentlich geschüttelt und gereinigt wurde. Durch die Traumageschichte habe ich eine Summe von Kränkungen im Leben gehabt und habe auch eine narzisstische Seite, wo ich gesehen werden möchte, wo ich anerkannt werden möchte und manchmal auch das betonen: „Seht ihr mich auch, was ich geleistet habe, dass ich auch gut bin neben den anderen?“ Die Krise hat natürlich auch ihre narzisstische Seite gehabt. Das war auch eine narzisstische Wut. In der Traumatherapie bin ich auf den Begriff der „Wutrage“ gekommen. Ich fühlte mich so gekränkt. Meine heilige Erfahrung mein freudiges Geschehen, das solch eine Bedeutung für mich hatte, wo viele Menschen auch verstanden haben, dass ich mich so freute, über das, was passiert ist, das lasse ich mir nicht einfach kränken. Ich lass das nicht einfach nur als „krank“ abwerten. Da passiert etwas, was weg muss. Da ist etwas geschehen, was da war und einen wertvollen Platz hatte und meinem Leben Sinn gab. Das war nicht schön, das war nicht nett, aber es war heilig! Das wäre ein schönes Schlusswort.

 

Das Interview führte Maria-Anne Gallen